Skip to content

abb1

Die Windmühlen unserer Stadt: Umweltschutz oder Geldmaschine?

Es war einmal in einer idyllischen Kleinstadt, wo die Vögel zwitscherten und die Bäume im Wind raschelten. Doch in dieser Szenerie braute sich etwas zusammen – nicht unbedingt das, was sie vom letzten Oktoberfest kennen. Anstelle von frisch gezapftem Bier, sollen in den Ortsteilen von Bruchsal gigantische Windräder am Horizont aufragen.

In der heutigen Zeit, wo wir uns mit dem Klimawandel befassen müssen, sind nachhaltige Energiequellen essentiell. Windanlagen klingen daher nach einer brillanten Idee, richtig? Nun, nicht immer. Besonders wenn sie in einem städtischen Wald errichtet werden und sich die Frage stellt: Dient dies wirklich dem Umweltschutz oder eher der Befüllung der Stadtkasse?

Warum sollen Gebiete zur Windenergiegewinnung nur in den Ortsteilen ausgewiesen werden? Eine Frage, die ich mir seit dem ersten Tag stelle. Es könnte vermutet werden, dass die Stadt sich schlichtweg davor scheut, die Anlagen in ihrem eigenen Hinterhof zu bauen.1 Stattdessen werden sie in die Ortsteile verlagert – und zwar großzügig. Über 5% der kommunalen Fläche soll für diesen Zweck freigegeben werden. Das ist ein ordentliches Stück Land und betrifft hunderte Bäume, besonders wenn man bedenkt, dass nur 1,8%2 für Windanlagen vorgeschrieben sind.

Ein weiteres Mysterium unserer kleinen Geschichte: Unsere Stadt befindet sich in einer der windärmsten Regionen Deutschlands. Das bedeutet, dass der erzeugte Energiemengen womöglich minimal sein könnten. Würden nicht Regionen mit stärkeren Windströmen mehr Sinn ergeben? Wenn es wirklich um den Umweltschutz geht, warum dann nicht in Gegenden investieren, wo der Windertrag auch höher ist?3

Das Paradoxon liegt klar auf der Hand: Einerseits wollen wir nachhaltige Energie, andererseits aber auch unsere Wälder und Landschaften bewahren. Aber wenn wir Bäume für Windräder fällen, verfehlen wir dann nicht das Ziel?4 Die Umsetzung mag wohlüberlegt erscheinen, aber es scheint, als würden wirtschaftliche Interessen über das wahre Ziel, den Umweltschutz, triumphieren. Schließlich betont unsere OB stets das besonders auf unseren (noch) schönen städtischen Flächen die Rendite für die Stadt am höchsten sei.5

Wenn Sie mich fragen: Eine windige Angelegenheit.

Es ist verständlich, dass Städte nach nachhaltigen Energiequellen suchen. Doch in unserem Fall erscheint es, als ob die Prioritäten verkehrt sind. Wenn wir wirklich dem Umweltschutz dienen möchten, sollten wir den minimalen Flächenbedarf von 1,8% erfüllen und den Überschuss an Geldern für effektivere Umweltschutzprojekte in windreicheren Regionen verwenden.

In einer Zeit, in der der Planet mehr denn je unsere Hilfe benötigt, sollten wir uns auf das große Bild konzentrieren und nicht auf kurzfristige finanzielle Gewinne. Es ist Zeit, die Windräder in die richtige Richtung zu drehen und das richtige für unsere Stadt, unsere Umwelt und letztlich für uns alle zu tun.


Patrick Flöß, Bruchsal, 14.10.2023

Erstveröffentlichung in der Bruchsaler Rundschau vom 25.10.2023 als Leserkommentar. Die Quellenangaben wurden nachträglich ergänzt.


  1. Die Frage lässt sich durchaus stellen, wo etliche windkrafttaugliche Flächen bereits durch das Land Baden-Württemberg, direkt an der Stadt Bruchsal grenzend ausgewiesen wurden (siehe hier). 

  2. Bei den besagten 1,8% handelt es sich um Bundesvorgaben. Diese müssen nicht zwingend auf kommunaler Ebene umgesetzt werden. Es kann durchaus für eine Kommune sinnvoll sein, mehr oder weniger als nutzbare Fläche auszuweisen. Ich habe in diesem Schreiben jedoch angenommen, das es ohnehin beschlossene Sache des Großteils der Gemeinde ist, dieses pflichtgemäß zu erfüllen. 

  3. Der deutsche Wetterdienst bietet eine Windkarte an, die die historische Windgeschwindigkeit in unterschiedlichen Auflösungen darstellt. Hier sieht man deutlich, in welchen Regionen welche mittlere Windgeschwindigkeiten sind. Bruchsal liegt klar in einer der windärmsten Regionen. Selbst 80m über Grund, liegt die mittlere Windgeschwindigkeit laut diesen Daten bei 4 bis 4,5 Km/h. Bodenmessungen von lokalen Wetterstationen in Mannheim, Forst und Karlsruhe lagen bei durchschnittlich 1 bis 3 Km/h. Natürlich muss man dies nun hochrechnen auf die eigentliche Windgeschwindigkeit, auf Narbenhöhe einer Windkraftanlage. Diese liegt bei den großen Anlagen bei über 150 Meter. Eine Hochrechnung ist durchaus üblich und wohl valide. Nachdem ich das aus verschiedenen Quellen gelesen habe, habe ich die Hochrechnung hier verwendet um die tatsächliche zu erwartende Windgeschwindigkeit auf Narbenhöhe zu ermitteln. Die Narbenhöhe verschiedener Windkraftanlagen liegt bei durchschnittlich 150 Meter. Dies führt nach Berechnung zu einer durchschnittlichen Windgeschwindigkeit von 6 bis 9 Km/h. Dies liegt unter dem optimalen Nutzungsgrad industrieller Windkraftanlagen (Im Schnitt liegt diese bei 12 bis 14 Km/h). Natürlich drehen sich da auch die Rotorblätter und erzeugen etwas Strom (im Durchschnitt), aber müssen diese auch oft ausgeschalten bleiben, weil zu wenig Wind weht. Das führt zu einem weiteren Effekt: Dem häufigen Ein- und Ausschalten der Anlage. Dies führt zu einer kürzeren Laufzeit und häufigeren Wartungen. 

  4. Für den Bau einer Windkraftanlage werden ca. 2 Fußballfelder dauerhaft abgeholzt werden. Hinzu kommen eine temporäre Abholzung von 6.000 qm für den Aufbau und die dauerhafte Errichtung von Schwerlasttauglichen Straßen quer durch den Wald (Quelle - In anderen Quellen konnte ich ähnliche Angaben finden, die diese bestätigen. Diese fasst die Informationen allerdings sehr gut zusammen). Wenn solche drastischen Einschnitte in das Ökosystem vorgenommen werden, sollten auch entsprechende Nutzen gegenüber sehen. Dies ist für mich aufgrund der geringen Windgeschwindigkeit nicht denkbar. Ergänzend ist noch zu erwähnen dass die Rotorblätter als Sondermüll gehandhabt werden und entsprechende Entsorgungskosten und Umweltschäden mit sich bringen. 

  5. Siehe Beispielsweise Amtsblatt Bruchsal Nummer 42 in 2023. In den Bürgergesprächen zum Thema Windkraftausbau wurde von ihr auf dieses gesteigerte Renditeinteresse ebenso hingewiesen.